Der Framing-Podcast „Denk nicht an einen Elefanten“ zum Nachlesen
Jetzt verhandeln sie noch immer, die Türkisen und die Grünen. Und bislang ist der wesentlichste Dissens, den die VerhandlerInnen nach außen tragen, jener, wielange die Gespräche noch dauern werden.
[Zeit] wird dabei als [endliche Ressource] geframet, als [begrenzt]. Ich verspreche Ihnen aber: Zeit haben wir unendlich viel. Okay, manchmal haben wir’s eilig. Der Zug fährt nun mal bereits in 28 Minuten, nicht in 26 und nicht in 32. Der Abgabetermin ist übermorgen. Der Arbeitstag dauert bis 17 Uhr und wielange mein Leben noch dauern wird? Wer weiß…
Aus unserer Alltagserfahrung (“Ich habe diese und jene Zeitspanne zur Verfügung.”) schließen wir auf das generelle Wesen der Zeit. Und wir machen sie knapp und begrenzt. Dabei haben wir alle Zeit der Welt. Ehrlich.
Die Grünen versuchen dem ÖVP-Drängen auf einen baldigen Abschluss einerseits mit Humor zu begegnen. Bundessprecher Werner Kogler erklärt, er habe nie verstanden, wieso es gerade zu Weihnachten eine neue Regierung brauche. Und weil die ExpertInnenregierung so beliebt sei “wollen (wir) den Advent nicht der Regierung Bierlein berauben.”
Andererseit arbeiten die Grünen mit dem Framing [Zeit] = [Qualität], lieber länger verhandeln und dann auch länger regieren, als etwas übers Knie brechen. Das alte Sprichwort dazu: Gut Ding braucht Weile. Vernünftig in meinen Augen. Bloß in den Köpfen der BürgerInnen noch nicht angekommen. Verhandeln gilt (noch) eher als Freizeitvergnügen. Gearbeitet wird dann erst, wenn die Regierung im Amt ist (lesenswert in diesem Zusammenhang die Postings unter dem einen Absatz weiter oben verlinkten Artikel).
Weitere Framing-Aspekte aus den Koalitions-verhandlungen: Die Grünen framen sich als [professionell], als [seriös] und [kooperativ]. Sie halten sich an die Spielregeln. Dummerweise sieht es dabei so aus, als wäre Sebastian Kurz exklusive derjenige, der eben diese Regeln aufstellt. Alleine schon der Verhandlungsort steht für eine Dominanz der ÖVP. Den Grünen würde eine andere, bescheidenere, billigere Location zu Gesicht stehen als Prinz Eugens Winterpalais. Welche Rolle die Grünen in den Verhandlungen spielen, wie sie dafür sorgen, nicht über den Tisch gezogen zu werden? Das wird leider nicht kommuniziert.
Meine Vermutung: Innen- und Außenperspektive sickern in einander. Die vermuteten Wünsche der WählerInnen vermischen sich mit den eigenen Ansprüchen.
Mein Eindruck: Die Chance, “neu” zu verhandeln, ist vorüber. Ja, man kann unmöglich jedes Verhandlungsdetailnach außen tragen. Aber wenn eine Partei solchen Wert auf politische Transparenz legt, wie die Grünen, kann man etwas derart Wichtiges wie Koalitionsgespräche nicht vollkommen unter Ausschluss der Öffentlichkeit abführen. [Andere Politik], [Dialog], [PartnerInnenschaft],… hier war auf einer Framing-Ebene sehr viel zu holen. Naja, es kommen wieder Verhandlungen.
Italienisch-Kurs. Gitarre-Kurs. Sparkurs?
Themenwechsel: Ich besuche (noch immer…) einen Italienisch-Kurs an der Volkshochschule. Bin stolz darauf, bereits B1 erreicht zu haben. Italienisch-Kurs. Klar. Gitarre-Kurs. Klar. Aber what the hell ist ein Sparkurs? Was gibt es da zu lernen?
“Sparkurs: UniCredit streicht weitere 8000 Stellen” titelt die Kronenzeitung. Red Bull, Novomatic, die SPÖ, alle machen einen Sparkurs.
Grundsätzlich zum Framing: [Sparen] ist positiv geframet. Wir heben einen kleinen Teil unseres (Taschen-)Geldes auf, damit wir uns später [etwas leisten können]. Sparen ist ein Versprechen an die Zukunft. Dort, in der Zukunft, werden wir es besser haben. Uns etwas leisten können. Ein neues Auto. Einen Urlaub.
Wer gefeuert wird, geht für’s erste in keine bessere Zukunft. Bei Red Bull hat man in Salzburg 40 Prozent der MitarbeiterInnen ihren Job genommen. Ihr Einkommen. Dietrich Mateschitz erhält dafür eine Dividende von 182 Millionen Euro. Die (ehemaligen) MitarbeiterInnen werden jetzt einen “Sparkurs” gut brauchen können.
Hatschi Bratschis Luftballon
Menschen meiner Generation sind mit Kinderbüchern dieser Art großgeworden: Die eigene Welt ist klein, normal und ein wenig langweilig. Die Welt draußen, die “Ferne” ist exotisch, aufregend und – auf jeden Fall – gefährlich. Gilt für Winnetou genauso wie für Hatschi Bratschis Luftballon.
“Was kommt dort durch die Luft geflogen,
Und immer näher hergezogen?
Es ist, man sieht es deutlich schon
Ein großer roter Luftballon.
Drin sitzt, die Pfeife in der Hand
Ein Türke aus dem Türkenland.
Der böse Hatschi Bratschi heißt er,
Und kleine Kinder fängt und beißt er.
O Fritzchen, Fritzchen, lauf davon,
Sonst kommst du in den Luftballon!
Ach, Hatschi Bratschi hat ihn schon!”
(aus: Franz Karl Ginzkey, Hatschi Bratschis Luftballon, erschienen 1904)
Ein Rückblick auf die Debatte rund um Original Play. Vorweg: Es geht im Folgenden nicht um den pädagogischen Wert dieser Methode. Wir verhandeln hier Framing-Aspekte. Also:
In Österreich gibt es keine verhafteten SpielleiterInnen, keine Anzeigen, keine Prozesse. Auch die beiden Verdachtsfälle in Deutschland haben zu keinen weiteren juristischen Schritten geführt.
Trotzdem schreibt heute.at von einem “dubiosen Spielverein”, PosterInnen auf verschiedenen Websites verwenden Worte wie “abstrus” und “abartig” und sorgen sich, dass jemand (fremde Männer) ihre Kinder “gegen deren Willen” “begrapscht”.
Und hier kommt er ins Spiel, der böse Hatschi Bratschi.
Mehr als jedes vierte Mädchen und mehr als jeder achte Bub erleben sexuellen Missbrauch. Über achtzig Prozent aller Fälle passieren in der Familie und im näheren Bekanntenkreis. Eine Mitarbeiterin einer Kinderschutzeinrichtung hat einmal im Rahmen eines Volksschulelternabends gesagt: Wir, so wie wir hier sitzen, sind die gefährlichsten Menschen für unsere Kinder.
Wir framen aber nicht [vertrautes Umfeld] birgt [Gefahr]. Wie sollten wir denn auch in einer solchen Umwelt leben? Wir framen die Geschichte vom [fremden Mann], möglichst Ausländer, ein Türke aus dem Türkenland, ein Asylwerber vielleicht, jedenfalls aber fremd. Nicht von hier, nicht aus unserem Kindergarten.
Eine der Grundlinien des Framings lauter: Frames hide and highlight. Ein Frame lenkt die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte eines Themas und lässt damit gleichzeitig andere verschwinden. Das [Hatschi Bratschi-Framing] lenkt die Aufmerksamkeit weg von der Realität und hin zu einer Erzählung, die leichter zu nehmen ist. Kann ich mir vorstellen, dass mein Bruder meine Tochter missbraucht? Dass mein guter Freund meine Frau vergewaltigt? Niemals. Da lenke ich lieber meine Aufmerksamkeit auf den [fremden Mann]. Dieses Framing verstellt den Blick auf die tatsächlich wahrscheinlichen Gefahren und wird damit indirekt zur Gefahr für meine Kinder. Aber es macht meine Angst beherrschbarer. Zuhause und im vertrauten Umfeld sind wir sicher. Die Gefahr, die kommt von draußen.
Ausführlicher besprechen wir das alles in der aktuellen Folge unseres Podcasts „Denk nicht an einen Elefanten“
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