Sarah Wiener – eine kurze Erklärung

Was sagt die Kandidatur von Sarah Wiener für die EU-Parlamentswahl über die Grünen? Drei erste Erklärungsansätze.

[Grüne]
[Sarah Wiener]
[Politikverständnis]
[Framing]

Die Grünen – relevante AkteurInnen innerhalb der Grünen Bundesspitze, des Bundesvorstands – wollen also mit der Starköchin Sarah Wiener den zweiten Listenplatz für die EU-Wahl prominent besetzen. Ich habe mit der Vorgehensweise mehrfach massives Bauchweh.

1) Politikverständnis
Die Grünen treten mit dem ständigen Versprechen an, Politik anders zu machen und ernstzunehmen. Dieses Versprechen ist aber nur so lange glaubwürdig, wie man die eigenen Prinzipien, die eigenen Grundwerte, die eigene politische Haltung auch in Krisenzeiten ernst nimmt. Das Aufstellen einer Fernsehköchin macht Politik zu einem Planspiel, zu einem Match der besseren StrategInnen. Nicht zu einem Durchsetzen der Besseren Ideen. Die Grünen treten offiziell als jene an, die die bessere Politik machen. Kompetenz vor Prominenz. Das passt nicht zusammen.

2) strategische Fehleinschätzung
Die Grünen brauchen keine Promi-Kandidatin aus Film, Funk und Fernsehen, die möglichst allen Menschen bekannt ist. Die Grünen brauchen KandidatInnen, die den richtigen Menschen bekannt sind und bei den richtigen Menschen beliebt sind. Nämlich bei einer erweiterten Zielgruppe. Nicht wichtig ist, ob meine Schwiegermutter oder die Hausmeisterin drüben auf der Zweierstiege sie kennen. Die wählen nämlich eh nicht grün. Die Promi-Kandidatin, die 87 Prozent der ÖsterreicherInnen gut finden, aber leider nicht wählen, bringt weniger, als die richtige Kandidatin, die den Grünen 15 Prozent der Stimmen bringt.

Die Grünen werden laut WählerInnenanalysen weniger wegen der Person der/des SpitzenkandidatIn gewählt als wegen ihrer Inhalte. Wenn schon Promi, dann ausgewiesen politisch. Heini Staudinger, Christian Felber oder Johannes Gutmann sind Beispiele für solche (eine geeignete Frau fällt mir echt nicht ein) und nein, ich spreche mich nicht für deren Kandidatur aus.

3) Die Basisdemkratie kippt
Ich finde es höchst an der Zeit, dass die Grünen ihre Entscheidungsprozesse überarbeiten. Ich halte es zum Beispiel für richtig und wichtig, dass der Bundessprecher oder eine Landessprecherin strategischen Einfluss auf die Listenerstellung nehmen kann. Das Statut möge für die Zukunft geändert werden. Derzeit ist es aber nicht so vereinbart.

Derzeit gilt: Es möge kandidieren, wer will. Und die Basis möge entscheiden.
In diesem Fall der BUKO. Aber. Wenn Werner Kogler mit einer einzigen ausgesuchten Kandidatin vor die Presse tritt, weil er sie für strategisch wichtig hält, bricht er politische Versprechen der Grünen. Solange die Grünen “Basisdemokratie” als quasi unverhandelbaren Grundwert haben, geht es einfach nicht, dass der Chef eine einzelne Kandidatin dermaßen heraushebt. So sehr ich Koglers Drang und die strategischen Überlegungen verstehe.

4) Fazit
Ich will als Wähler ernstgenommen werden. Ich will, dass das Framing von Politik besser wird. Wer glaubt, mich mit einer TV-Köchin zu ködern, zeigt mir keinen Respekt. Ich will sehen, dass Parteien Politik ernstnehmen. Das Grüne Setzen auf Sarah Wiener zeigt mir diesen Ernst nicht.

EU-Wahl: Wo bleibt der SPÖ noch Platz in den Medien?

[Wahlkampf]
[EU]
[Ö1 Journal]

Herbst 2015. Es war das groß ausgerufene “Duell um Wien“. “Der Wahlkampf für die Wien-Wahl spitzte sich medial und in den Kampagnen auf das „Duell um den Bürgermeister“ zwischen Michael Häupl (SPÖ) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) zu“, schreibt orf.at. Dazu immer wieder die Frage: Werden die anderen Parteien in der Auseinandersetzung zwischen Amtsinhaber und selbst ernanntem Herausforderer marginalisiert? Werden sie mit ihren Themen durchkommen?

Das Ergebnis ist bekannt: Trotz Verlusten verteidigt Häupl das Bürgermeisteramt mit knapp 40 Prozent der Stimmen, Strache bleibt 9 Prozentpunkte dahinter und im Nationalrat.

Heute früh im Morgenjournal

Zu Gast ist SPÖ-Chefin Rendi-Wagner.
Moderator Paul Schiefer vermutet, die EU-Wahl könnte auf ein Match zwischen Karas (pro-europäisch) und Vilimsky (EU-äh-kritisch) hinauslaufen. Dann die spannende Frage, die Schiefer im Interview später wiederholen wird: “Wo bleibt da noch Platz für den SPÖ-Kandidaten Andreas Schieder?

Übersetzung: Wer [durchkommt] mit den eigenen Themen, worauf [es sich zuspitzt], entscheidet in diesem Framing nicht die Redaktionskonferenz oder die Chefredakteurin. Es entscheidet sich naturgesetzlich, von alleine, durch Dritte. “Der Wahlkampf spitzt sich medial zu.”

Als old-school-Radiomenschen lässt mich das einigermaßen frustriert zurück. Und mir bleibt der Appell: Was “durchkommt”, worauf “es sich zuspitzt” mögen JournalistInnen entscheiden. Sie sind die GatekeeperInnen. Und sie mögen derartige Entscheidung niemals den ParteistrategInnen überlassen.

ÖXIT – die FPÖ wärmt für die Nationalratswahl auf

[EU]
[Zentralismus]
[Kanzler]
[starker Mann]
[Hofer]

Aha.
Norbert Hofer stellt der EU (in einem Interview mit der Gratiszeitung “Österreich”) also ein Ultimatum: Veränderungen innerhalb eines Jahres oder österreichisches Austrittsreferendum.
Bedient wird dabei ein bekannter – wirkungsvoller – Frame:

[EU] = [Zentralismus], und dieser Zentralismus sei extrem verwerflich, weil “uns” ja dann “die” sagen, was wir zu tun und zu lassen haben. Das ist Hofers Klientel gewohnt und dieser Frame wird von “Österreich” oder der Kronenzeitung ja auch regelmäßig bestärkt.

Konsequenterweise müssten FPÖ-WählerInnen dementsprechend einen Freiheitlichen an der Staatsspitze ablehnen. Strache verstünde sich als [Kanzler] wohl als [starker Mann], der rasch und ohne viel Gerede die (richtigen!) Entscheidungen fällt.

[FPÖ-Kanzler] = [Zentralismus] wäre die logische Folge. Unter Strache könnten wir wieder nicht an wesentlichen Entscheidungen teilhaben. Das wird FPÖ-SympathisantInnen aber kaum von ihrer Wahlentscheidung abbringen. Weil der Strache ist ja “einer von uns”, handelt also automatisch und intuitiv in “unserem” Sinn.

Interessant, wie beim Thema Zentralismus die Perspektive springen kann. Je konservativer desto mehr Macht beim (zentralistischen) “starken Mann” und möglichst wenig Macht bei als ferne empfundenen Institutionen, seien sie in Wien oder in Brüssel.

Je progressiver desto dringender der Wunsch, die Kompetenzen einzelner Parteien oder PolitikerInnen zu begrenzen. Und desto lauter der Ruf nach intensiver Kooperation und – siehe globale Migration – gemeinschaftlicher, zentral organisierter Problemlösung.

Also Widerstand gegen Zentralismus auf allen Seiten.

Können wir das Rätsel lösen? Wir Menschen haben das Bedürfnis nach Unterstützung. Und die Hoffnung, dass da jemand ist, der sich verlässlich und in unserem Sinn um unsere dringenden Anliegen kümmert.

Die Antwort, die progressive Parteien dringend geben müssen, wenn sie gegen die konservative Vormacht in Österreich ankommen wollen, geht also über ihre jeweiligen Konzepte und Politiken hinaus: Es ist die Antwort auf die Frage, warum wir gerade ihnen dieses Vertrauen geben können!