Nicht jeder strenge Vater ist gleich Gott

Eine Ergänzung zu Walter Ötsch in den Salzburger Nachrichten vom 17. 9. 2016

[FPÖ]
[bpw16]
[Framing]
[strict father]

Ist es “religiöse Überhöhung”, wenn FPÖ-Präsidentschaftskandidat Hofer das Matthäus-Evangelium bemüht? Stilisiert er sich gar zum Erlöser, wie sein Parteiobmann, der sich gerne mit dem Kreuz zeigt?

Ich lese aus der freiheitlichen Kampagne zur Bundespräsidentschaft eine wesentlich einfachere Antwort:
Im Wertekanon konservativer blauer WählerInnen ist eine Position zentral, die des “strengen Vaters”. Der, der es besser weiß. Der, der die Lösung kennt und durchzusetzen bereit ist. Der, der die Macht hat zu entscheiden, wer oder was gut oder böse ist.

Jörg Haider ließ noch plakatieren, dass er “an euch glaubt”, die FPÖ von heute beschützt 333 Jahre nach den “Türkenkriegen” noch immer das Abendland und Norbert Hofer verspricht: “Wenn ich Bundespräsident bin, gebe ich euch euer Österreich zurück.”

Es ist nicht wesentlich, was diese Sentenzen auf der Faktenebene bedeuten. Eine christliche Gesinnung ist zum Verständnis der Botschaften gar nicht wesentlich. Die Sehnsucht nach einem starken Mann, dem “father who knows best”, ist genau das, worauf Hofer zielt. Und er trifft. Der Sager, dass wir uns noch wundern würden, was alles möglich sei, war kein Ausrutscher, keine Provokation. Sondern eine gezielte Botschaft, die genau in die Kerbe schlägt, die Ötsch religiös versteht: Ich, Hofer, habe die Macht. Und ich bin bereit sie einzusetzen.

Wahrscheinlich glaubt ja nicht einmal Parteigeneral Herbert Kickl selbst, dass Österreich von TerroristInnen überschwemmt wird. Aber er weiß, dass dank einschlägiger Berichterstattung in den Köpfen seiner potentiellen WählerInnen die wenigen bisherigen Terrorakte in Europa in seiner Zielgruppe salient also auffallend, herausragend genug sind, um daraus ein entsprechendes Szenario zu stricken. Dank medialer Berichterstattung sind Lottogewinner, Terroropfer und das Wetter von morgen präsenter als die tausenden Flüchtlinge, die sich redlich um einen Platz in Österreich und um das Lernen der deutschen Sprache bemühen.

Die FPÖ zeigt damit einmal mehr, dass sie sich als erfolgreichste – vielleicht auch einzige – der heimischen Parteien mit dem Framing ihrer Botschaften beschäftigt: Starker Vater, Bedrohungsszenario und ein paar “saliente Beispiele” – fertig ist die Kampagne!

Nizza: Wenn Mitterlehner progressiver framet als Kern…

[Terrorismus]
[Nizza]
[Kern]
[Mitterlehner]
[strict father]
[Empathie]
[Empowerment]

Das gestrige Verbrechen von Nizza mit seinen knapp 100 Opfern macht klar, wie wichtig das Framing von Katastrophen ist. Und wessen Werte und wessen Politik den Diskurs bestimmen und bestimmen werden.

Konservative haben es heute leicht – je extremer desto leichter:

Heinz Christian Strache ist als [Bürgerkanzler] ohnehin der [father, who knows best].
Er kann sich auch den simplen Standpunkt stellen: Hätte “man” (=diese illegitime Regierung) früher auf mich gehört, wären ohnehin alle radikalen Islamisten bereits ausgewiesen.
So simpel so nutzlos, genauso wie das Auge um Auge-Narrativ von Russlands Regierungschef Medwedew: „Die Terroristen und ihre Anhänger verstehen nur die Gewalt, und die müssen wir anwenden“. Der [starke Mann] wird die schlechten Menschen [bessern], und das geht nur [mit Gewalt].

In Österreich zeigt auch Außenminister Sebastian Kurz, dass er weiß, was zu tun ist (verkürztes Zitat): “Wichtig ist, dass wir [unseren Lebensstil] weder aufgeben noch verändern sondern [ganz entschlossen], diese Terroisten bekämpfen. [Militärisch, polizeilich und natürlich auch ideologisch].”
In anderen Worten: Wir geben keinen Schritt nach, wir sind auf dem richtigen Weg, wer anders denkt, wird bekämpft. Dialogangebote kann es nicht geben. Dass ein Außenminister kein Wort über die historischen Wurzeln von Terrorismus verliert (hat sich Kurz dazu jemals geäußert?) und kaum etwas in Richtung internationaler Entwicklungszusammenarbeit unternimmt, passt perfekt in sein Rollenbild.

Ein extrem guter Framer ist Wolfgang Sobotka. Er hat sein Handwerk ja in der NÖ Volkspartei gelernt. Der Innenminister bewegt sich perfekt auf konservativem Terrain, wirkt dabei aber progressiv und spricht damit die Bi-conceptuals an, jene WählerInnen, die sowohl konservativ als auch progressiv denken können: Der [Mensch] ist von Natur aus [schlecht], kann sich aber [bessern]. Wer sich auf “uns” zubewegt und “unsere” Werte übernimmt, dem reichen wir die Hand. Sobotka spricht von Prävention, damit Menschen erst gar nicht in ein Umfeld mit krimineller Energie kommen. Das Ziel: “Dass junge Menschen in ihrem Leben Sinn erkennen, (…) dass sie Arbeit finden und zu wertvollen Mitgliedern unserer Gesellschaft heranreifen können.”

Da hat der Bundeskanzler nichts entgegenzusetzen. Obwohl Christian Kern sonst sehr bewusst mit Worten umgeht, fällt ihm heute gar nichts ein: “Frankreich, die große Nation, steht für europäische Werte, die auch unsere Werte sind und diesen hat dieser Anschlag gegolten.” Statt progressivem Framing bringt Kern bloß die Wichtigkeit von Polizei-Kooperation auf europäischer Ebene.

Für mich die große Überraschung bietet ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner.
Obwohl konservativer Spitzenpolitiker bedient er besser als der Kanzler progressive Werte: Empathie und Empowerment. Der Vizekanzler betont die Wichtigkeit von Integration. Was soll seiner Meinung nach nun passieren: “Einerseits respektvoll miteinander umzugehen, das von der Schule, vom Kindergarten auf zu lernen. Auf der anderen Seite wird man den Terror (…) auch die Grundlagen entziehen müssen…”. Respekt. Was für ein schönes, wichtiges Wort an einem Tag wie heute.
Herr Mitterlehner, ich ziehe meinen Hut!

(alle Zitate aus dem Ö1 Mittagsjournal vom 15. Juli 2016, außer Strache (facebook))

Khol: Gutes Framing, schlechte Perfomance

[Andreas Khol]
[strict father]
[Stärke]

Andreas Khol.
Gutes Framing, schlechte Perfomance.

Ja, warum eigentlich? Warum hat Andreas Khol so ein schlechtes Ergebnis bei der Bundespräsidentenwahl 2016 eingefahren?

Mich beschäftigt ja hier das Framing.
Und das war gut!
Starke Authoritäten gefallen Konservativen.

[Andreas Khol] als [strict father] zu framen, war bestimmt eine tadellose Entscheidung: Khol knows best, er kann “Österreich stärken”, “Erfahrung macht stark”, “Eine Stärke von mir ist sicher auch der Weitblick”,… da hat sich jemand etwas gedacht.

Konservative Werte durchdekliniert auch auf der Website: “Familie”, “Fleiss” (sic), “Gemeinschaft”,… genau die eigene, klassische wertkonservative Gemeinde bedient.
Gratuliere!

Warum er dann trotzdem dermaßen verloren hat?
Drei schlanke Erklärungsversuche:

  • Die klassische wertkonservative WählerInnenschaft ist wohl nicht mehr größer.
  • 6 KandidatInnen – 5einhalb davon für Konservative zumindest auch wählbar (die fehlenden zwei Viertel gehen zu Van der Bellen und Hundstorfer, die für Khols Kernklientel unwählbar sind) – das kann sich nicht ausgehen.
  • und vor allem: ÖVP? Wer ist die ÖVP? Beim Wahlergebnis nach der Bundespräsidentenwahl 2016 zeigt sich ganz klar, dass die ÖVP kein relevanter Player mehr ist.

Sorry, guys!